JUNGs Einkaufswelt #10: Der harte Hund war gestern
Wenn man an Einkauf denkt, denkt man zwangsläufig an Zahlen, Daten, Fakten, an harte Verhandler und Analyseprofis, quasi der harte Hund, dem keiner etwas an Zahlenmaterial und in Verhandlungen vormachen kann. Dem ist vielleicht auch größtenteils so, jedoch wäre es sehr einseitig, wenn mit der Aufzählung der Hard Facts und Analysefähigkeiten bereits alles gesagt wäre.
Denn was passiert, wenn KI plötzlich genau diese Knochenarbeit der Datenaufbereitung übernimmt? Wenn Bedarfsanforderungen automatisch geprüft, Preisentwicklungen in Echtzeit analysiert und Verträge durch digitale Assistenten vorstrukturiert werden?
Dann bleibt für den Einkäufer vor allem eines, was die KI nicht kann: Mensch zu sein.
Und damit rücken die Soft Skills ins Zentrum des Einkaufs. Dieser braucht Teamplayer mit Sozialkompetenz, die zuhören, vermitteln, verstehen und gleichzeitig klare Grenzen setzen können.
Nicht jeder Verhandlungspartner lässt sich mit einem Dackelblick einfangen. Manchmal braucht es auch die Präsenz eines Schäferhunds. Klar, loyal, aber bestimmt.
Die Aufgabe des modernen Einkäufers gleicht daher mehr und mehr einem agilen Hütehund als einem bissigen Wachhund. Er (bzw. sie) muss Bewegungen früh erkennen, Gruppen zusammenhalten, Konflikte erschnüffeln, bevor sie eskalieren, und verschiedene Interessen auf eine gemeinsame Fährte bringen. Dabei geht es nicht mehr um bloße Dominanz in Preisverhandlungen, sondern um echtes Stakeholder-Management.
Gerade in volatilen Märkten, in Zeiten multipler Krisen und gestörter Lieferketten, brauchen Unternehmen keine Einzelkämpfer, sondern verlässliche Rudeltiere. Einkäuferinnen und Einkäufer, die tragfähige Beziehungen aufbauen, die an gemeinsamen Lösungen arbeiten und mit emotionaler Intelligenz intern wie extern agieren.
Ein harter Hund kann vielleicht kurzfristig Eindruck machen, aber Vertrauen, Loyalität und Partnerschaft entstehen durch Zuhören, Reflexion und echtes Interesse am Gegenüber. Ein Lieferant, der sich wie ein Partner behandelt fühlt, liefert im Zweifel schneller, flexibler und verlässlicher. Eine Fachabteilung, die gehört und verstanden wird, öffnet sich auch bei Widerständen eher für alternative Lösungen.
Investieren Sie in die Soft Skills Ihrer Einkaufsabteilung! Trainieren Sie nicht nur die Bisskraft, sondern auch das Feingefühl. Fördern Sie Selbstreflexion, Kommunikationskompetenz, Empathie und Teamdynamik. Denn genau diese Fähigkeiten werden den Unterschied machen, wenn die operativen und repetitive Tätigkeiten längst von digitalen Helfern erledigt werden.
Der Einkauf der Zukunft wird nicht von Pivot-Excel-Sheets, sondern durch Beziehungskompetenz und Dialog geprägt sein. Der beste Deal ist nicht immer der mit dem niedrigsten Preis, sondern der mit dem höchsten Vertrauenspotenzial. Oder, um im Bild zu bleiben: Der moderne Einkäufer sollte wissen, wann er knurren muss und wann es klüger ist, sich hinzusetzen, zuzuhören und gemeinsam in die gleiche Richtung zu laufen.