
Vilfredo Pareto statt Captain Sparrow im indirekten Einkauf
Während der direkte Einkauf spätestens seit der globalen Lieferkrise auf der Agenda der Geschäftsführung steht, wird der indirekte Einkauf auch heute noch von vielen Firmen ignoriert oder zumindest nicht strategisch betreut. Ich kann verstehen, wieso der Fokus auf den direkten Einkauf liegt aber nicht, wieso der indirekte Einkauf so vernachlässigt wird, denn gerade dort konnte man in den letzten Jahren noch die Kosten reduzieren. Meine Bitte lautet deswegen: „Bauen Sie einen strategischen indirekten Einkauf auf! Oder qualifizieren Sie Ihre Einkäufer für das indirekte Material zumindest dahingehend.“
Nun gibt es aber natürlich auch viele Firmen, bei denen es schon einen indirekten Einkauf gibt. Und ich merke, dass seit letztem Jahr auch immer mehr Firmen den indirekten Einkauf für sich „entdecken“ und anfangen, die dort liegenden Potenziale zu heben. Dabei liegt der Fokus sehr oft auf den gleichen Warengruppen: IT, Energie, Facility Management und Fuhrpark.
Da dies oft die größten Warengruppen sind, ist dies natürlich völlig in Ordnung. Es lohnt aber, sich auch die „kleineren“ Warengruppen strategisch unter Kostengesichtspunkten anzuschauen, da hier oftmals große Potenziale liegen. Heben Sie diese „hidden treasures“.
Büromaterial
Diese Warengruppe wird zwar oft als Versuchskaninchen für die Digitalisierung der operativen Beschaffungsprozesse genommen, jedoch werden mögliche strategische Kostenpotenziale nicht immer realisiert. Der Grund liegt meist in der Vielzahl an Artikeln. Aus diesem Grunde lautet meine Empfehlung:
- Bündelung der vergleichbaren Artikel
- ParetoAnalyse, um die größten Pakete zu fokussieren
- Einschränkung der Wahlmöglichkeiten (z.B. nur noch 2 verschiedene Whiteboards, eine Marke für Kugelschreiber, Marker usw.)
- Ausschreibung der AArtikelgruppen und
- Nachverhandlung aktueller Preise
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Bei der Arbeitsschutzbekleidung gibt es einige Artikel, die Sie wie Büromaterial behandeln können (Einweg-Ohrstöpsel, Helme und Brillen für Besucher usw.). Bei dieser Warengruppe ist es wichtig, immer den Betriebsrat einzubinden, vor allem wenn es um Sicherheitsschuhe und -handschuhe geht. Bei letzterem sollte man prüfen, wie oft die Schuhe gewechselt werden. Oft passiert dies nämlich an festen Tagen, unabhängig davon, wie der Zustand der Handschuhe ist. Eine vorherige Kontrolle durch den Meister kann schnell zu einer Verbrauchsreduktion von 20-30% führen. Also Einsparung durch Kostenvermeidung.
Marketing
Hier sollte man zunächst zwischen C-Artikel wie Flyer, bedruckte Kugelschreiber usw. und größere Posten wie Messen, Marketingagenturen usw. unterscheiden. Während man viele der C-Artikel wie Büromaterial behandeln kann, sollte der Fokus hier auf den Dienstleistungen liegen. Hier empfehlen sich folgende Maßnahmen
- Identifizierung der Bedarfe, die eigentlich gar nicht notwendig sind oder die man auch selbst übernehmen könnte (z.B. Dienstleistungen von Agenturen, Organisation von Messen durch eigenes Personal)
- Festlegen, ab wann der Einkauf involviert werden soll (z.B. ab 10.000€)
- Prüfung bestehender Verträge mit Lieferanten und Durchführung von Benchmarks und Nachverhandlungen
- Einführung von regelmäßigen Jour fixes mit der Marketingabteilung, damit geplante Projekte zusammen angegangen werden und ggf. frühzeitig nach Alternativen gesucht werden kann
Gerade bei Agenturen und Messebauer sind oftmals größere Einsparungen möglich. Wichtig: Erstellen Sie bei den Agenturen zusammen mit der Marketingabteilung ein Lastenheft oder zumindest ein Anforderungsprofil. Und lassen Sie sich nicht beirren: Ja, auch Agenturen sind vergleichbar, es kostet nur etwas Aufwand, bis das Vergleichsschema steht!
Hilfs- und Betriebsstoffe
Der Vorteil bei dieser Warengruppe ist, dass diese Artikel oft eine sehr gute Spezifizierung und eine Artikelnummer im ERP-System haben. Zum einen sind dadurch Datenanalysen möglich, die uns ggf. Rahmenabrufaufträge für das gesamte Jahr aufsetzen lassen. Zudem hilft dies bei der Standardisierung. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass man hier oftmals sehr gute Einsparungen erzielen kann, indem man hier z. B. „no brand“-Artikel in Betracht zieht, die aber klar spezifiziert sind (z. B. Hydrauliköl HLP 46).
Ein weiterer Vorteil dieser Warengruppe ist, dass wir uns hier i.d.R. im Bereich der Kostenreduktion bewegen und nicht, wie bei vielen anderen indirekten Warengruppen, der Kostenvermeidung. Das erleichtert die Kommunikation der Ergebnisse mit der Geschäftsführung.
Tipp: Da sich in dieser Warengruppe oftmals viele Gefahrstoffe befinden, stehen sie schon im Fokus des Gefahrstoffbeauftragten hinsichtlich eines verbesserten Handling. Diese Änderungsbereitschaft können Sie auch für Kostenoptimierung nutzen.
Fazit
Die indirekten Warengruppen werden oft vernachlässigt und bieten (gerade deswegen) großes Einsparpotenzial. Und man muss nicht Captain Sparrow sein, um diese unentdeckten Schätze zu finden, sondern ein Vilfredo Pareto reicht meistens schon.